WENN DIE SEELE SPRICHT: ÜBER DIE SEELE UND DAS, WAS BLEIBT
- Patricia

- 24. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Wie oder was ist die Seele?
In den vergangenen Wochen habe ich mir häufig die Frage gestellt, vor allem immer dann, als ich mit dem Sterben und Tod konfrontiert wurde. Und mich gefragt, was von uns bleibt, wenn der Körper innerhalb von wenigen Stunden vergeht. Wo kommt die Seele zum Vorschein, wo geht sie hin? Bleiben die Seelen nicht alle hier und wirken in einer „Zwischenwelt“, zu der nur ganz wenige Zugang haben? Wo finden wir im Alltag Zugang zu unserer Seele - geht das überhaupt? Was könnte uns dies nützen?
Unser Kaninchen Benjamin starb vor zwei Tagen plötzlich an einer Kolik. Meine Kinder verabschiedeten ihn bei der Beerdigung mit den Worten: „Jetzt bist du oben und kannst eine neue Seele zu uns runter schicken“. Es floß einfach aus meiner 9 jährigen Tochter heraus und ich fragte mich, woher sie diese Vorstellung des „Abklatschens“ wohl hatte.
Unser erster Hund lag im Jahr 2023 noch fünf Stunden bei uns im Wohnzimmer, als seine Seele seinen Körper langsam verließ. Ich nahm mir die Zeit und saß daneben, fünf Stunden lang, um zu beobachten, wie der Körper nach und nach an Leben verlor. Und um mich von ihm und unserem gemeinsamen Leben mit all seinen Phasen und Episoden zu verabschieden. Die Kinder malten und bastelten und zündeten Kerzen an und irgendwann später war es… „gut“. Auch seinen Körper konnten wir dann gehen lassen.
Im Februar haben wir einen Freund verloren, mit 50 Jahren, urplötzlich. Seine Urne wurde in einem Friedwald bestattet und seine Frau und die gemeinsamen Kinder zogen um - 400 km zurück in die Heimat. Ich fragte meine Freundin, ob man eine Urne umziehen könne, oder ob sie das überlegen würde, doch sie flüsterte „Er möchte seine Ruhe.Noch.“
Was bleibt da von uns und von allem was lebt?
Können wir Zugang zu unserer Seele finden, im Alltag?
Wo oder wie genau finden wir zu unserer Seele?
Kennen wir sie überhaupt – oder wie können wir sie kennenlernen?
Gerade heute, wo wir uns ganztags mit Medien, News und äußeren Einflüssen umgeben, finden wir überhaupt noch zu unserer Seele? Oder führen wir eine Beziehung mit ihr? Wer oder was bekommt unsere Seele zu spüren? Wie kann unsere Seele unser Umfeld beeinflussen? Wie kann uns systemisches Coaching und Beratung dahingehend unterstützen, unsere Seele besser kennenzulernen, wahrzunehmen und im Alltag mit ihr verbunden zu bleiben, bis sie irgendwann unseren Körper verlässt?
Die Beziehung zur Seele – systemische Perspektiven auf innere Verbundenheit
Im systemischen Denken wird der Mensch als Teil eines dynamischen Beziehungsfeldes verstanden, eingebettet in familiäre, soziale und ökologische Kontexte. Aber auch im Inneren befinden wir uns in verschiedenen Kontexten mit unseren inneren Anteilen: Wir stehen nicht nur in Beziehungen, sondern führen auch eine Beziehung zu unserem innersten Selbst. Diese Beziehung ist die Grundlage für unsere Authentizität, unsere Empathie und unsere Fähigkeit, Sinn zu erleben. Wir stehen in Beziehung zu unseren inneren Anteilen, Emotionen und Bedürfnissen. Spirituell gesprochen: Wir sind in Resonanz mit unserer Seele. Je mehr wir Bewusstheit entwickeln, desto dialogischer wird diese Beziehung. Weniger reaktiv, mehr mitfühlend.
Weniger von Angst, mehr von Vertrauen getragen.
Die Vorstellung von der Seele begleitet die Menschheit seit jeher, doch ihr Verständnis variiert stark zwischen den Kulturen. Besonders spannend ist der Vergleich zwischen dem Seelenbegriff in indigenen Traditionen und dem in der Meditation östlicher und moderner spiritueller Wege.
In indigenen Kulturen galt die Seele nicht als isoliertes, inneres Prinzip, sondern als Teil eines großen Beziehungsnetzes. Alles Lebendige (Mensch, Tier, Pflanze, Stein oder Fluss) besitzt hier eine eigene Seele oder Geistkraft. Das Leben ist von einer gemeinsamen spirituellen Energie durchdrungen, die häufig als „Großer Geist“ bezeichnet wurde. Viele indigene Völker betrachteten die Seele als mehrschichtig: Ein Teil begleitet den Körper (die Lebenskraft), ein anderer bleibt in der Gemeinschaft oder kehrt nach dem Tod zu den Ahnen zurück (spirituell). Die Seele galt hier weniger als Eigentum des Individuums als Ausdruck von Verbindung und Beziehung – zwischen Mensch, Natur und Geistwelt.
Rituale, Träume oder Initiationen halfen dabei, dass die Seele ihren Weg findet, Heilung erfährt oder in Balance bleibt. War die Seele im Gleichgewicht mit der Natur, so galt der Mensch als gesund. Träume galten hier als Ausdruck der Seele - ein Ort, an dem sie kommuniziert oder sich zeigt.
In der Meditation hingegen richtet sich der Blick nach innen. Der Buddhismus lehrt, dass es keine unveränderliche Seele gibt: das „Ich“ ist eine Illusion, zusammengesetzt aus vergänglichen Prozessen.
Meditation soll helfen, diese Illusion zu durchschauen und Einssein mit der Leere, dem universellen Bewusstsein, zu erfahren.
Tatsächlich habe ich in einer geführten Meditation im Rahmen der Ausbildung einmal einen Zustand erfahren, der seitdem nie wieder auftauchte, aber sehr real und echt wirkte: Alles leuchtete gelb und orange aus meinem „Selbst“ heraus, es war still und warm und friedlich. Mir kam der heiße Erdkern im Zentrum der Erdkugel in den Sinn (und diesen hatte ich schon ewig nicht mehr auf dem Schirm), alles schien sich miteinander zu verbinden und ergab eine wohlig warme Einheit. Wie ein warmer Erdkern leuchtete das Selbst aus mir heraus. Es war wunderbar!
Beide Interpretationen, der der indigenen Kulturen und der Meditation, machen für mich, als sehr naturverbundener Mensch, Sinn: Die Seele ist nicht bloß ein persönlicher Besitz, sondern Ausdruck von Verbundenheit mit der Natur, dem Kosmos oder dem innersten Bewusstsein. Vor allem in der Stille, in der Natur, oder durch ein Gegenüber, das dein Bewusstsein anspricht, kann sich die Seele zeigen.Die Seele lebt in Beziehung, zwischen Erde und Geist, zwischen Selbst und Welt.
Zugang zur Seele durch Beratung und Therapie – ein abgerundeter Abschluss
Systemisches Coaching, Beratung und Therapie bieten Räume, in denen der Kontakt zum Selbst bewusst gepflegt und vertieft werden kann. Durch achtsame Fragen, Resonanz und Perspektivwechsel sowie durch das Arbeiten mit inneren Anteilen – etwa im Modell des Internal Family Systems (IFS) – lernen Klient*innen, ihr inneres System wahrzunehmen, zu regulieren und in Selbstführung zu treten.
Dabei geht es nicht um ein „Beseitigen“ von Problemen, sondern um ein wacheres, mitfühlenderes In-Beziehung-Sein, mit sich selbst, mit anderen und mit dem größeren Ganzen.
Beratung und Coaching stärken die Fähigkeit, das eigene Selbst, verstanden als bewusste, mitfühlende und integrierende Instanz, als innere Ressource zu nutzen. So kann sich ein Zustand innerer Kohärenz, Lebendigkeit und spiritueller Verbundenheit einstellen, der auch im Alltag tragfähig bleibt.
Wenn wir in Kontakt mit diesem Selbst sind, verändert sich unsere Art zu kommunizieren, zu führen, zu entscheiden – ja, zu leben. Unsere Seele wirkt dann nicht durch Worte oder Handlungen allein, sondern durch die Qualität unserer Präsenz: durch Ruhe, Offenheit und Mitgefühl, die in uns spürbar werden.
In dieser Haltung liegt vielleicht das, was von uns bleibt: die Spuren von Bewusstsein und Beziehung, die wir in anderen und in der Welt hinterlassen.
So kann systemisches Coaching und Therapie helfen, den Prozess eines bewussten, lebendigen In-Beziehung-Seins zu kultivieren – bis zum letzten Atemzug und darüber hinaus. Denn die Seele, so scheint es, wirkt weiter – in der Erinnerung, in den Herzen und in den Feldern, die wir berührt haben.
VON PATRICIA BEHR





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